Kabarett im Sängerheim - Evi & das Tier
Von sinnlich-sündig bis französisch-charmant
Herrlich schräge Vaudeville-Show mit „Miss
Einmal im Jahr wird das Sängerheim am Stadtgarten zur Kleinkunstbühne, wenn die Chöre Troubadix und HarmoNixen zum Kabarettabend einladen. In diesem Jahr hatte man das ungewöhnliche Duo „Miss Evi & das Tier“ zu Gast, die den wie immer gut gefüllten Saal mit ihrer pfeffrigen, knallbunten und herrlich schrägen Show „Sex, Quatsch und Rock’n Roll“ aufmischten. Was die Sängerin Evi Niessner und Mr. Leu, der Mann am Klavier auf der Bühne anstellen, lässt sich gar nicht wirklich in irgendein Genre einsortieren: Das ist Varieté, Chanson, Burleske, Clownerie – alles auf einmal, schnell und saftig, wild und skurril, dargeboten mit soviel musikalischem Können und unverfrorener Spielfreude, dass die beiden in kürzester Zeit für gute Stimmung im Publikum sorgten.
Die animalische Komponente bringt dabei unzweifelhaft Mr. Leu („das Tier“) am Piano ein. Mit schier unerschöpflicher Energie fegt er durchgeknallt durch den Abend, bearbeitet den Flügel zuweilen mit allen zehn Fingern gleichzeitig (gelegentlich auch mit anderen weniger nahe liegenden Körperteilen) und erweist sich trotz aller aufgedrehter Hyperaktivität als toller Musiker, der nicht nur super Klavier spielt, sondern auch singt und seine Partnerin musikalisch ins beste Licht zu rücken versteht. Und die ist ein Hingucker, eine echte Erscheinung mit einer wirklich grandiosen Stimme. Miss Evi wirft sich als kurvige Glamour-Diva im Laufe des Abends in etliche spektakuläre Roben. Immer wieder schlüpft sie dabei mit einem neuen Outfit auch in eine neue Rolle: Von der lasziv-sinnlichen Varieté-Verführerin im sündig-roten, hochgeschlitzten Kleid mit Federboa bis zur Edith-Piaf-Parodie („Non, je ne rrregrrrette rrrien“) im anscheinend braven schwarzen Kleid mit Spitzenkrägelchen lässt sie augen- und zungenrollend die Puppen tanzen. Auch der Kontakt zum Publikum ist ihre Sache, mit handfestem Humor, unbefangen körperlich und selbstironisch geht sie voll rein, plaudert und spielt fantasievoll mit ihren Zuhörern. Und die ließen sich am Freitagabend auch bereitwillig auf das Spiel ein und feierten das ungleiche Künstlerpaar, das übrigens auch im Reallife als Ehepaar Leupold/Niessner gemeinsame Wege geht, mit viel Applaus. Evi & das Tier stürzten sich temporeich von einer Nummer in die nächste. Die notwendigen Umziehpausen, wenn wieder eine neue Robe samt dazugehöriger Frisur und Makeup fällig war, wurden von Mr. Leu am Klavier singend und spielend überbrückt, der dabei die Gelegenheit nutzte, seinem Affen genüsslich Zucker zu geben und gelegentlich wie entfesselt durchs Publikum zu fegen, wonach er erst einmal wieder eingefangen werden musste.
Gegen die starke Bühnenpräsenz von Miss Evi anzukommen, mag tatsächlich nicht ganz einfach sein. Allerdings wirken die beiden Kunstfiguren nebeneinander vielleicht etwas skurril, vor allem Mr. Leu, der grimassierend, zappelnd und züngelnd ein bisschen crazy wirkt und mit all seinem schrillen Gebaren fast die Tatsache verschleiert, dass er musikalisch echt was drauf hat. Vielleicht weiß auch Evi selbst nie so ganz genau, was sich ihr Tier heute Abend einfallen lassen wird, und vielleicht bleibt es für die beiden gerade wegen diesem Schuss Unberechenbarkeit spannend, gemeinsam auf der Bühne zu stehen.
Wer empfänglich ist für deftigen Slapstick und ein quirliges Vaudeville-Spektakel mit einigen Überraschungen liebt, der wird von diesem ungewöhlichen Duo bestens unterhalten. Die beiden treten aber auch einzeln auf, Evi Niessner mit Chansons von Edith Piaf und Mr. Leu mit einem Soloprogramm aus Blues und Balladen. Mit dem Sandmännchen-Lied und einer Handvoll Glitzerstaub verabschiedeten sich „Miss Evi & das Tier“ schließlich unter großem Applaus … nur ein einzelner Schuh auf dem Klavier und ein paar abgemauserte Boafedern erinnerten noch daran, dass an diesem Abend ein wahrer Energie-Orkan durchs Sängerheim gefegt war.
Text und Bild von Pia Geimer